Ohne großes Aufsehen ist die Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) angepasst worden. Zukünftig sind Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge dem Netzbetreiber vor ihrer Inbetriebnahme mitzuteilen. Überschreitet die Summen-Bemessungsleistung je elektrische Anlage 12 Kilovoltampere, bedarf die Inbetriebnahme sogar der vorherigen Zustimmung des Netzbetreibers.
Hintergrund der Neuregelung der NAV
Die Neuregelung dient der Sicherstellung der Netzstabilität. Um den Ladevorgang eines Elektromobils möglichst zu beschleunigen, wird dem Netz eine vergleichsweise hohe Leistung abverlangt. Hierdurch wird das Netz im Vergleich zu anderen privaten Nutzungen nicht nur deutlich stärker belastet. In Spitzenzeiten können auch Netzengpässe entstehen, die die Netzstabilität und damit die gesamte Stromversorgung gefährden. Um dies zu vermeiden, muss der Netzbetreiber das örtliche Verteilernetz, den Netzanschluss und die Messeinrichtungen leistungsgerecht auslegen. Nur so kann er eventuelle Rückwirkungen der an sein Netz angeschlossenen Ladeeinrichtungen in das Stromnetz sachgerecht beurteilen und entsprechende Maßnahmen einleiten. Hier greift die neu in die NAV aufgenommene Mitteilungspflicht, die dem Netzbetreiber die entsprechende Kenntnis über die an sein Netz angeschlossenen und betriebenen Anlagen verschaffen soll. Unerheblich ist es insoweit, wer die Mitteilung tatsächlich adressiert. Dies kann nach dem Wortlaut der NAV sowohl der Anschlussnehmer als auch der Anschlussnutzer sein. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist hier aber auch eine Bevollmächtigung möglich, so dass der die Anlage anschließende Elektroinstallateur die Mitteilung vor der Inbetriebnahme vornehmen kann.
Inhalt der Neuregelung der NAV
Verbindliche Mitteilungspflicht
Die Neuregelung schafft eine verbindliche Mitteilungspflicht von Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge. Bisher ergab sich eine solche Mitteilungspflicht lediglich aus der Ladesäulenverordnung. Diese erstreckte sich aber nur auf öffentlich zugängliche Ladepunkte und keine privaten. Der Gesetzgeber hat nun durch die Anpassung des § 19 Abs. 2 S. 2 – 4 NAV eine einheitliche Mitteilungspflicht für öffentliche und nichtöffentliche Ladepunkte geschaffen
Umfang der Mitteilungspflicht
Mitzuteilen ist alleine die Errichtung einer Ladeinfrastruktur. Ob bereits unmittelbar nach dem Netzanschluss eine tatsächliche Nutzung der Ladeeinrichtung beabsichtigt ist oder ein zu ladendes Elektrofahrzeug zur Verfügung steht, ist für die Mitteilungspflicht unerheblich. In § 19 Abs. 2 S. 5 NAV wird der Netzbetreiber allerdings berechtigt, Einzelheiten über den Inhalt und die Form der Mitteilungen zu regeln. Hierdurch kann er nicht nur die Text- oder Schriftform für die Mitteilung festlegen, sondern auch Daten abfragen, deren Kenntnis zur Beurteilung der netztechnischen Anforderungen notwendig ist. Dies wird vor allem der Zeitpunkt des Netzanschlusses der Ladeeinrichtung sein und die Summenbemessungsleistung der Anlage.
Zustimmung des Netzbetreibers
Die Summenbemessungsleistung ist deswegen mitzuteilen, weil der Netzbetreiber nach § 19 Abs. 2 S. 3 NAV ab einer Leistung von 12 kVA der Inbetriebnahme zustimmen muss. Hierdurch soll dem Netzbetreiber ermöglicht werden, vorab zu prüfen, ob ausreichende Netzkapazitäten vorhanden sind oder ob er gegebenenfalls eine Netzverstärkung durchführen muss.
Durch das Zustimmungserfordernis wird die grundsätzlich bestehende Anschlussverpflichtung des Netzbetreibers aus § 17 Abs. 1 EnWG nicht beseitigt. Entsprechend ist der Netzbetreiber, sollte er zu dem Ergebnis kommen, dass hinreichende Netzkapazitäten nicht zur Verfügung stehen, zu einem entsprechenden Netzausbau verpflichtet.
Zwei-Monats-Frist
Um die Frage des Netzanschlusses zügig zu klären, ist der Netzbetreiber verpflichtet, sich innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Mitteilung zu äußern. Wenn er dem Anschlussbegehren nicht zustimmen kann, muss er innerhalb der Zwei-Monats-Frist dem Netzkunden die Ablehnung erklären und den Hinderungsgrund benennen sowie mögliche Abhilfemaßnahmen darlegen. Mögliche Abhilfemaßnahmen auf Seiten des Netzbetreibers sind der Netzausbau, auf Seiten des Ladesäulenbetreibers die Ausgestaltung der Ladeeinrichtung als steuerbare (vgl. § 14a EnWG). Soweit es sich um Abhilfemaßnahmen handelt, die der Netzbetreiber durchführen muss, hat er den hierfür erforderlichen Zeitbedarf zu benennen.
Fazit
Die Neuregelung ist begrüßenswert, schafft aber auch neue Unklarheiten. So spricht § 19 Abs. 2 S. 2 NAV von Ladeeinrichtungen und nicht, wie die Ladesäulenverordnung im öffentlichen Raum, von Ladepunkten. Ob mit der Ladeeinrichtung die Ladesäule (bestehend aus einem oder mehrere Ladepunkten) gemeint ist oder der jeweilige Ladepunkt, ist unklar. Unterschiede könnten sich dann ergeben, wenn eine Ladesäule um Ladepunkte erweitert wird. Dieser Vorgang wäre womöglich nicht mehr nach § 19 Abs. 2 S. 2 NAV anzeigepflichtig, weil es sich nicht um die Inbetriebnahme der Ladeeinrichtung handeln würde, sondern nur um deren Ertüchtigung.
Misslich ist auch, dass die Konsequenz einer unterbliebenen Zustimmung oder Ablehnung durch den Netzbetreiber nicht näher geregelt wurde. Was passiert, wenn der Netzbetreiber innerhalb der 2-Monats-Frist überhaupt nicht reagiert? In diesen Fällen erlischt das Widerspruchsrecht des Netzbetreibers und es bleibt bei der allgemeinen Anschlusspflicht des § 17 Abs. 1 EnWG. Zu beachten ist aber, dass der Gesetzgeber die Reaktion des Netzbetreibers als Pflicht ausgestaltet hat, so dass diese im Falle einer schuldhaften Verletzung einen Schadensersatzanspruch nach sich zieht. Kommt es aufgrund der unterbliebenen Rückmeldung des Netzbetreibers zu einer Verzögerung des Netzanschlusses, die bei rechtzeitiger Mitteilung hätte vermieden werden können, hat der Netzbetreiber den daraus entstehenden Schaden zu tragen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn aufgrund der unterbliebenen Rückmeldung des Netzbetreibers eine andere Ladesäule vorrangig an das Netz angeschlossen wird und dann zunächst das Netz ertüchtigt werden muss, bevor weitere Ladesäulen angeschlossen werden können.
Weiterführend zu den rechtlichen Anforderungen an eine öffentliche Ladesäuleninfrastruktur sowie zur Verordnungsbegründung: