Was kann mein Produkt, wo sind seine Leistungsgrenzen und wann geht es kaputt? Diese Fragen beschäftigen Unternehmen in sämtlichen Branchen. Entsprechend kommt der Überprüfung von Produkten eine erhebliche Bedeutung zu. Welche Merkmale überprüft werden müssen, hängt davon ab, was das Produkt können muss. Wichtigste Quelle hierfür ist die zwischen Käufer und Verkäufer vertraglich vereinbarte Beschaffenheit des Produktes. Ein Blick in den Vertrag reicht oftmals aber nicht aus, um das „Können-Müssen“ präzise zu bestimmen. Dort wo die Parteien nämlich keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen haben, helfen sich Juristen damit, dass sich das Produkt für die gewöhnliche Verwendung eignen muss. Hinzu kommen aber auch Erwartungen, die die späteren Nutzer an das Produkt haben und die sich an die Sicherheit des Produktes richten.
Ob das Produkt all diesen Erwartungen an das „Können-Müssen“ entspricht, wird durch seine Überprüfung im Rahmen von Tests, Prüfungen und Simulationen sichergestellt. Rechtlich gesehen sind diese damit wichtige Instrumente, um eine spätere Haftung zu vermeiden. Es liegt auf der Hand, und da schließt sich der Kreis wieder, dass Tests, Prüfungen und Simulationen nur dann sinnvoll durchgeführt werden können, wenn das rechtlich zu beachtende „Können-Müssen“ bekannt ist und Test, Prüfungen und Simulationen entsprechend ausgerichtet werden.
Es genügt nicht, wenn hierbei nur das Lastenheft bzw. die einschlägigen technischen Normen (ISO-, DIN oder IEC-Anforderungen) zur Grundlage von Test, Prüfungen und Simulationen gemacht werden. Auch die zur Konstruktionsverantwortung ergangene Rechtsprechung, insbesondere die sog. Airbag-Entscheidung des BGH, muss bekannt sein und bei der Gestaltung von Test, Prüfungen und Simulationen berücksichtigt werden. Im Fokus steht hierbei der sichere Umgang mit den Begriffen des neusten Stands von Wissenschaft und Technik und des Stands von Wissenschaft und Technik. Denn nur, wenn bei der Konstruktion der neuste Stand von Wissenschaft und Technik beachtet wurde, ist ein Konstruktionsfehler nicht vorwerfbar bzw. wenn der Produktfehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkennbar war, handelt es sich um einen Entwicklungsfehler, für den der Hersteller nicht haftet. Die Abgrenzung zwischen diesen beiden verhältnismäßig allgemein formulierten Maßstäben bereitet auch wegen der missverständlichen Bezeichnung in der praktischen Umsetzung regelmäßig Probleme.
Verkompliziert wird das Ganze noch dadurch, dass aus produkthaftungsrechtlicher Sicht neben dem ordnungsgemäßen Gebrauch des Produktes auch der vorhersehbare Fehlgebrauch im Rahmen von Test, Prüfungen und Simulationen berücksichtigt werden muss: welche Sicherheitsrisiken entstehen für Leib und Leben, wenn beispielswiese innerhalb eines Tunings in die Motorsteuerung eingegriffen wird? Nur wenn das Produkt bei diesem vorhersehbaren Fehlgebrauch sicher ist, entfällt eine mögliche Haftung.
Die präzise Ausrichtung von Test, Prüfungen und Simulationen anhand von speziell entworfenen Checklisten hilft, Konstruktionsfehlern bereits frühzeitig in der Entwicklungs- und Erprobungsphase zu identifizieren. Aufgrund der massiven Auswirkung von Konstruktionsfehler auf die spätere Serie, können so kostenträchtige Rückrufe und Haftungsfälle vermieden werden.
Die genaue Beachtung der rechtlichen Anforderungen an die Konstruktionspflichten hilft aber auch den verantwortlichen Ingenieuren, ihre persönliche (strafrechtliche) Verantwortung zu verhindern.